(DAGIA) Aus unserer Sicht erfüllt die derzeitige Zulassungspraxis nicht die Kriterien für einen evidenzbasierten Einsatz von Impfstoffen. Dennoch gibt es in Fachkreisen bisher keine echte Diskussion über Mindestanforderungen. DAGIA hat sich als unabhängige Institution deshalb zum Ziel gesetzt, eine entsprechende Fachdiskussion anzuregen. Wenn Sie Arzt sind und diese 10 Forderungen (siehe unten) für sinnvoll halten, können Sie dies durch die Eintragung in eine Unterstützerliste dokumentieren. Unser Ziel ist, diesen Forderungen durch eine möglichst große Anzahl von Unterstützern ein gesundheitspolitisches Gewicht zu verleihen. Siehe dazu die aktuelle Liste der Unterstützer.
Weitere Infos unter info[@]dagia.org
Definition der Erwartungen
Eine individuelle Garantie für Wirksamkeit und Sicherheit wird
weder von den Herstellern noch von den zuständigen
Gesundheitsbehörden gegeben. Versprochen wird jedoch ein
statistischer gesundheitlicher Vorteil einer definierten Gruppe
von Geimpften gegenüber Ungeimpften,
Vor der Beurteilung eines Impfstoffs steht die Definition der
an ihn gerichteten Erwartungen. Diese Erwartungen müssen
natürlich aus der Sicht desjenigen definiert werden, der einen
Vorteil aus der Impfung ziehen soll und das Risiko etwaiger
Nebenwirkung trägt, also des Impflings bzw. seiner
Eltern/Sorgeberechtigten.
Notwendigkeit
Die Notwendigkeit ergibt sich zum einen aus dem realistischen
Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko, das durch die Impfung
gesenkt werden soll, zum anderen aus fehlenden Alternativen der
Behandlung und Vorsorge.
Signifikanter gesundheitlicher Vorteil
Geimpfte müssen gegenüber Ungeimpften unter dem Strich einen
signifikanten gesundheitlichen Vorteil vorweisen können.
Deshalb sind sowohl die Symptome, gegen die geimpft wird, zu
berücksichtigen, als auch alle anderen gesundheitlichen
Parameter, die auf etwaige Nebenwirkungen hindeuten.
Kalkulierbarkeit des Impfrisikos
Um eine Risiko-Nutzen-Abwägung zu ermöglichen, muss neben dem
Erkrankungsrisiko und dem klinischen Wirkungsgrad des
Impfstoffs auch die statistische Wahrscheinlichkeit von
Nebenwirkungen bekannt sein.
1. Randomisierte placebokontrollierte und mehrfach
verblindete Vergleichsstudien
Will man den gesundheitlichen Vorteil bewerten, den Geimpfte
gegenüber Ungeimpften haben, muss man natürlich Geimpfte mit
Ungeimpften in einer ergebnisoffen Studie miteinander
vergleichen und dabei möglichst alle Faktoren, die das Ergebnis
verzerren könnten, ausschließen. Randomisierte
placebokontrollierte Doppelblindstudien gelten als Standard der
evidenzbasierten Medizin. Künftig dürfte dies jedoch die
Dreifach-Verblindung sein, um zusätzlich auch
Ergebnisverzerrung im Rahmen der Studienauswertung zu
verhindern.
2. Zwingender Eintrag in ein öffentliches
Studienregister
Nicht zuletzt der Skandal um die vom Hersteller
zurückgehaltenen Studiendaten zum Grippemedikament TAMIFLU
zeigt, dass eine Studie nur dann Bestandteil des
Zulassungsverfahrens werden darf, wenn sie rechtzeitig vor
ihrem Beginn in ein öffentliches Studienregister eingetragen
wurde. Durch die Unterschlagung wichtiger Studien und
Studienergebnisse kann die Darstellung der Faktenlage stark
beeinflusst werden.
3. Verwendung eines echten Placebos
Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, das weder Wirkungen noch
Nebenwirkungen entfaltet, z. B. eine physiologische
Kochsalzlösung. Scheinplacebos, die Bestandteile des Impfstoffs
enthalten, erfüllen dieses Kriterium nicht, die auf diese Weise
gewonnenen Studienergebnisse sind allenfalls akademischer
Natur. Der Vergleich mit anderen Impfstoffen statt mit einem
echten Placebo ist genauso wenig aussagefähig. Dass diese
Forderung nicht selbstverständlich ist, zeigt z. B. die
europäische Zulassung der HPV-Impfstoffe GARDASIL und CERVARIX
oder die Rotavirus-Impfstoffe ROTARIX und ROTATEQ (alle seit
2006 zugelassen).
4. Ausreichende Studiengröße und
-laufzeit
Das Ziel einer signifikanten Aussage über einen
gesundheitlichen Vorteil der geimpften Gruppe macht
Mindestgrößen bei den Probandengruppen (Proband = Testperson)
und eine Mindestlaufzeit der Studie notwendig. Nur so können
auch seltenere schwerwiegendere Nebenwirkungen erfasst werden,
was wichtig ist, um die Risiken eines Impfstoffs kalkulieren
und gegen die Risiken einer Erkrankung abwägen zu können. Je
seltener eine impfpräventable (durch Impfung vermeidbare)
Krankheit in der Bevölkerung auftritt, desto größer muss die
Studie sein, um vergleichbare Erkrankungsraten erfassen zu
können. Die Laufzeit muss angesichts neuerer Erkenntnisse
bezüglich den Langzeitwirkungen von Aluminium-Adjuvantien
mindestens ein Jahr betragen, besser jedoch drei Jahre.
5. Transparenz bei Studiendesign und
Daten
Das Design einer Studie entscheidet maßgeblich über ihre
Aussagekraft. Design und (anonymisierte) Daten müssen
öffentlich zugänglich sein. Änderungen des Designs während der
laufenden Studie sind genauestens zu dokumentieren. Das Gleiche
gilt z. B. für die Methodik bei der Zusammenstellung der
Probandengruppen, für den Verbleib von Studienabbrechern und
aus der Studie ausgeschlossene Probanden, insbesondere wenn es
sich um Todesfälle handelt.
6. Uneingeschränkte Erfassung von klinischen
Endpunkten
Während der gesamten Laufzeit der Studie sind sämtliche
gesundheitlich relevanten Ereignisse zu erfassen, nicht nur
ausgewählte Symptome oder reine Messwerte wie z. B. der
Antikörpertiter.
7. Nachweislich unabhängiger
Vertrauensmann
Erfahrungsgemäß neigen Studienärzte dazu, mögliche
Nebenwirkungen gegenüber dem Probanden abzuwiegeln. Deshalb
muss dem Probanden ein nachweislich unabhängiger Vertrauensmann
zur Seite gestellt werden, an den er sich jederzeit wenden
kann.
8. Herstellerunabhängigkeit
Herstellerfinanzierte Studien sind nachweislich tendenziös.
Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Fällt die Studie
ungünstig für den Impfstoff aus, sinkt die Wahrscheinlichkeit
von Folgeaufträgen für die beauftragten Institute und ihre
Mitarbeiter. Es muss deshalb gewährleistet sein, dass Planung
und Durchführung der Zulassungsstudien in der Hand finanziell
unabhängiger Institutionen liegen.
9. Realistische Abbildung der Epidemiologie in der
Bevölkerung
Spätestens die Zulassungsstudien der Rotavirus-Impfstoffe haben
gezeigt, dass die im Rahmen einer Studie erfassten Erkrankungen
aufgrund der gewählten Diagnosemethodik nicht unbedingt die
tatsächliche Epidemiologie in der Bevölkerung wiedergeben.
Darum muss zur Gegenkontrolle eine dritte Versuchsgruppe weder
Wirkstoff noch Placebo erhalten. Die Erfassungsstrategie sollte
sowohl retrospektive (rückschauende) als auch prospektive
(vorausschauende) Elemente enthalten.
10. Langzeitbeobachtung der Probanden
Auch nach der Zulassung eines Impfstoffs müssen die
langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit der Probanden im
Rahmen einer Langzeitstudie erfasst werden.